ESD - Empfindliche elektronische Bauteile

dino03

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27. Okt. 2008
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Hallo,

es ist zur Zeit Winter, die Heizung läuft und die Luft ist trocken. Das liefert zur Zeit mal wieder ein Problem was im Sommer in unseren Breiten nicht ganz so stark ausgeprägt ist. ESD - Electrostatic Discharge (Elektrische Entladung).

Ich habe es in den letzten Tagen im Büro wieder oft genug erlebt. Über den Teppich zum Kollegen gegangen, was angepackt und zapp. Einen gewischt bekommen. Teilweise ist es sogar so heftig das man einen kleinen Knall der Entladung hört. Die Blitze kann man im Dunkeln sogar gut sehen und sie sind manchmal 1-2cm lang.

Diese Entladungen sind für Menschen meißtens nur unangenehm und lästig. Für elektronische Bauteile sind diese Entladungen absolut tödlich. Das Problem ist oft das nicht der ganze Baustein danach defekt ist sondern nur ein Teilbereich. Bei einem Mikrocontroller funktioniert zB noch alles bis auf den ADC oder es ist nur ein Timer der rumzickt und man sucht in der Software einen Fehler der in der Hardware liegt. Bei Transistoren kann zB ein hochohmiger Schluß entstehen. Er sperrt also nicht mehr richtig sondern läßt immer etwas Strom fließen.

Wie man sieht können die Fehler durch statische Elektrizität und den Entladungen zu langwierigen und nervigen Fehlern führen. Darum also hier zuerst mal ein paar Links zu dem Thema.

- Wikipedia: Elektrostatische Entladung
- iwenzo: ESD - Electrostatic Discharge
- Stat-X: ESD Hintergründe
- ET&ESD Lösungen - Onlineshop was es so alles gibt

Das einmal als Erstes.

Bei einer Schulung vor etwa 20 Jahren wurde uns folgendes mitgeteilt: "Seit dem in der Baugruppen-Instandsetzung Maßnahmen zum ESD-Schutz durchgeführt wurden, hat sich die Rate der defekten Baugruppen halbiert." Das muß man sich mal durch den Kopf gehen lassen. Die Hälfte aller defekten Baugruppen wurden durch rumgegrabbel zerstört. Man kann also durch ESD-Maßnahmen ziemlich viel Geld sparen.

Das Problem bei den halb defekten Bauteilen ist auch das man als Anfänger diese so gut wie garnicht erkennen kann. Man glaubt ja als erstes an einen selbst gebauten Fehler. Irgendwie ist er ja auch "selbst gemacht". Nur nicht so wie man sich das denkt.

Man muß jetzt zuhause nicht unbedingt einen ESD-gerechten Arbeitsplatz wie in der Industrie aufbauen. Aber mit ein wenig Verstand und die eine oder andere recht kleinen Investition oder Bastelei kann man sich eine Menge Probleme vom Hals schaffen.

Grundsätzliches vorher: NIE EINE DIREKTE ERDUNG MACHEN!
Wenn man dann irgendwas spannungsführendes anfaßt, dann zappelt man am Strom! Das ist LEBENSGEFÄHRLICH!
Außerdem fließen dann so große Ausgleichsströme das mandie Bauteile trotzdem grillt. Darum sind ALLE Leitungen mit Sicherheitswiderständen von 1MegaOhm versehen.

Da die Teile für einen ESD-Arbeitsplatz ja nicht grade günstig sind, hab ich mir das was geht selber gebaut. Das ist zuerst mal ein Verteiler für den Potentialausgleich. Die liegen normalerweise so um die 15,-eur und haben meißt zu wenige Anschlüsse. Ein entsprechendes Gehäuse kostet nicht mal 2,-eur. Dazu hab ich mir einige 4mm Bananenbuchsen besorgt um mit normalen Laborkabeln arbeiten zu können. Da normale Widerstände nur eine bestimmte Spannungsfestigkeit haben die bei statischen Aufladungen schnell mal überschritten werden kann habe ich bei mir statt 1M zwei Stück mit 470k in Reihe geschaltet. Für den Eingang habe ich eine Schraubkleme verwendet in die aber auch ein 4mm Bananenstecker paßt.

Hier mal zwei Bilder ...
ESD-Verteiler_innen.JPG ESD-Verteiler_aussen.JPG

Ich habe also neben dem Anschluß für die Erdung 6 weitere Anschlüsse für Armbänder, Lötkolben, usw.

Da viele ESD-Komponenten über Druckkontakte angeschlossen werden habe ich mir mal angesehen was ich bereits rumfliegen habe. Als nützlich ist mir dabei diese Druckknopf-Buchse aufgefallen ...
ESD-Knopfverbinder.JPG
... die gibts bei Reichelt (ESD DK-10 für 2,90) und läßt sich stapeln. Damit könnte man also noch weiter verteilen oder ESD-Arbeitsmatten anschließen. Leider gibt es mehrere Größen dieser Druckknöpfe. Bevor man sich also etwas besorgt sollte man genau drauf achten ob es zusammenpaßt.

Als "Erdungsanschluß" für den Menschen gibt es Armbänder in verschiedenen Ausführungen. Ich habe bei Pollin ein recht günstiges gefunden (Best.nr: 510 028 für 3,95) das man auch als Anschlußleitung für andere Komponenten verwenden kann wenn man das Armband abklipst.
ESD-Armband.JPG
Der Druckanschluß paßt auch für meine Arbeitsmatte. Statt einer Arbeitsmatte kann man notfalls auch eine Platte MOS-Schaum benutzen. Das ist allerdings nur eine Notlösung um die Bauteile sicher abzulegen.

Diese Armbänder gibt es auch als Einmallösung. Ob das aber auf Dauer so günstig ist, wage ich mal zu bezweifeln. Außerdem sind die echt ätzend am Arm und nur nervig. Die vernüftigen sind wesentlich angenehmer zu tragen.

Wenn man nun als Erdung der ganzen Konstruktion nicht grade das Heizungsrohr blankscheuern möchte, dann kann man sich noch etwas in der folgenden Art besorgen ... ESD EBP-S :: Erdungsanschluss über Blindstecker für 16,85. Das ist natürlich für den Hobbybedarf auch schon ein stolzer Preis. Grundsätzlich sollte man sich aber überlegen was einem sein Leben wert ist. Wer noch nicht viel mit Elektronik gemacht hat, der sollte sich diesen Erdungsanschluß NICHT selber bauen. Wenn man ihn nachbaut dann UNBEDINGT die beiden stromführenden Pole aus dem Stecker entfernen und nur die Erdungsteile belassen. Außerdem nicht den Schutzwiderstand vergessen!

Nun noch ein Bild meiner guten alten Lötstation. Auch Lötstationen haben Erdungsanschlüsse.
Loetkolben.JPG
Ich habe den Anschluß über eine normale Laborleitung mit dem Erdungspunkt verbunden um hier einen Potentialausgleich zu haben.

Und nochmal zum Abschluß: WICHTIG! Denkt bitte an eure Sicherheit. Keine direkte Erdung ohne die Schutzwiderstände! Wenn ihr euch unsicher seit, dann kauft die Teile lieber. Das ist günstiger wie eine Beerdigung. Wenn man mit einem Armband direkt am Erdpotenital hängt und mit der anderen Hand an einem spannungsführenden Bauteil, dann kann das tödlich enden!

Gruß
Dino
 
Hi
Das ist auch der Grund, warum meine Frau mit Elektronik nix am Hut hat. Sie wird von jedem Auto gebissen.....:sarcastic:
Und wenn wir zusammen irgendwohin gehen, bin ich es, der die Türen öffnet :cool:
Aber ich glaub, kaputt gegangen ist bei ihr noch nix.........
Gruß oldmax
 
Hallo,

nach dem ich beim ersten Beitrag die erste Rutsche Fotos hinzugefügt habe, sind hier noch zwei weitere ...

Als Arbeitsmatte für die Ablage von Bauteilen kann man sich auch eine Platte MOS-Schaumstoff (ESD PE-MOS 300 für 1,30) besorgen. Zum drauf arbeiten und löten ist das allerdings nicht wirklich eine Lösung.
MOS-Schaum.JPG
Ich habe mir davon so 5-6 Platten (30x30cm) besorgt. Man kann zB auch eine ganze Batterie Atmels oder anderer ICs draufstecken und dann einfach in den Schrank packen. Die IC-Beinschen sind gegen verbiegen geschützt und die Bauteile gegen Potentialunterschiede zwischen den Anschlüssen. Man kann die Platten auch entsprechend zurechtschneiden und diese kleinen Platten dann mit den ICs in Sortierboxen/Magazine legen.

Was ich auch noch habe sind leitfähige Boxen. Da kann man dann Bauteile ESD-Sicher reinlegen.
ESD-Box.JPG
Bei mir werden die aber mehr als Sammelgefäß für ausgelötete ICs verwendet. Da ich öfters mal alte Geräte die noch funktionieren aber nicht mehr gebraucht werden recycle sind die ICs dort soweit sicher verwahrt.

Notlösungen: Manchmal hat man ja irgendwo nen IC oder was anderes ausgebaut und weit und breit keinen Schutzbeutel (diese metallisierten Taschen) rumliegen. Im allergrößten Notfall nimmt man dann einfach normales Papier (kein Kunststoffbeschichtetes!). Da es porös ist hat es dank der Luftfeuchtigkeit immer noch wesentlich bessere Eigenschaften als wenn man eine Gefriertüte oder sonstigen Kunststoffkram nimmt. Die meißten Kunststofftüten laden sich nämlich richtig schön auf. Wenn man darin empfindliche Bauteile transportiert, dann kann man auch gleich eine Mülltüte verwenden :p Wenn eine Küche in der nähe ist, dann kann man auch noch Alufolie verwenden. Da Alufolie aber einen kleinen elektrischen Widerstand hat und damit hohe Ausgleichsströme fließen kann das auch problematisch sein. Wenn man es vorher irgendwie geschaft hat einen Potentialausgleich zwischen dem Bauteil und der Alufolie herzustellen (zB Bauteil in der Hand und ein Finger an der Alufolie) dann kann man das Bauteil darin einwickeln. Es ist nicht so schön wie MOS-Schaum aber in der Not frißt der Teufel Fliegen :rolleyes:

Das war es erstmal über das Thema ESD und empfindliche Bauteile.

Wer noch weitere Tips hat oder Fehler entdeckt, der kann sie gerne hier reinschreiben.

Gruß
Dino
 

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